Mittwoch 2. Nov 2022 18:15 Uhr

Dr. Klaus Poschlod

Vortrag Online und in Präsenz

 

Immer mehr Denkmäler (nicht nur) in Bayern leiden an Steinzerfall, ausgelöst durch verschiedene
schädliche, meist anthropogen bedingte Umwelteinflüsse. Mit den Folgen der von Menschen und Tieren
verursachten Umweltbelastungen (durch Rauchgas, Feinstaub, Urin, Salzstreuung etc.) muss sich die
Denkmalpflege ständig auseinandersetzen. Neben den natürlichen Verwitterungserscheinungen, die
meist nur durch Feuchtigkeit und Frost hervorgerufen werden, sind es gerade diese Einflüsse, die zu
enormen Natursteinschäden an einer Vielzahl von Baudenkmälern führen.

Diese Schäden äußern sich in der Praxis oftmals so massiv und teilweise statisch so bedenklich, dass eine
Restaurierung des Naturwerksteins nicht mehr ausführbar und somit ein Komplettaustausch zwingend
erforderlich ist. Von Seiten der Denkmalpflege wird darauf gedrungen, dass das Ersatz- oder
Austauschmaterial für die verwitterten Partien möglichst von der gleichen Naturwerkstein-Varietät
stammt.
Viele von der Denkmalpflege gesuchte Naturwerksteine werden jedoch seit Jahren nicht mehr abgebaut
und stammen aus Steinbrüchen, die unter Wasser stehen, zugewachsen, verfüllt oder gar nicht mehr
bekannt sind.“. In manchen noch in Betrieb befindlichen ehemaligen Naturwerkstein-Brüchen wird kein
Naturwerkstein mehr gewonnen, sondern es werden dort oft nur noch unter Zuhilfenahme von
Sprengungen Schotter, Splitt, Wasserbausteine oder Zementzuschlag produziert.
Wiederholt trat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege an das Bayerische Geologische Landesamt
heran, mit der Bitte, „Bezugsquellen“ von bestimmten Naturwerksteinen zu benennen. Dies geschah z. B.
Anfang der Neunziger Jahre, als Austauschmaterial für Bauobjekte gesucht wurde, bei denen
Regensburger Grünsandstein (wie z. B. für die Steinerne Brücke in Regensburg) verwendet wurde.
Das Bayerische Geologische Landesamt (seit 1. August 2005 Bayerisches Landesamt für Umwelt, Abt.
Geologischer Dienst) ließ damals mit finanzieller Unterstützung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums
im Rahmen einer Erkundungskampagne nach Regensburger Grünsandstein 17 Bohrungen mit einer
Bohrstrecke von insgesamt 437 m niederbringen.
Zeitgleich wurden auch mehrere historische Grünsandsteinbrüche befahren und beprobt. Unter
Berücksichtigung von konkurrierenden Nutzungen (z. B. Wasserschutz, Naturschutz, Bannwald,
Gewerbegebiet etc.) wurden dann mehrere Potentialflächen ausgewiesen, in denen man hochwertigen
Grünsandstein abbauen könnte; eine dieser Flächen liegt nördlich des alten aufgelassenen Steinbruchs
Ihrlerstein. Diese und die anderen Flächen wurden dem zuständigen Regionsbeauftragten an der
Regierung der Oberpfalz gemeldet; sie werden dem Regionalen Planungsverband im Rahmen der
nächsten Fortschreibung des Regionalplans als Vorranggebiete für Naturwerksteinabbau vorgeschlagen.
Da ein solches Verfahren sehr aufwändig bezüglich Zeit und Geld ist, wurde 2014 ein DBU-Projekt
beantragt (Laufzeit bis 2017), im Rahmen dessen in Bayern ehemalige Steinbrüche der wichtigsten
denkmalrelevanten Naturwerksteine erkundet und beurteilt werden sollten. Es wurden über 200
ehemalige Steinbrüche (auf-)gesucht; in die Endausscheidung kamen 51 Naturwerksteinbrüche, von
deren Gesteine Musterplatten angefertigt wurden, die genauen Lagepläne wurden abgebildet, des
Weiteren wurden gesteinstechnische Daten ermittelt, chemische und mineralogische Analysen
durchgeführt und bekannte Objekt-Beispiele aufgeführt etc.

Nach Bekanntwerden des Projektes kamen immer mehr Anfragen an das Bayerische Landesamt für
Umwelt von Seiten des Landesamts für Denkmalpflege, der Schlösser- und Seenverwaltung in Bayern, von
Steinmetzen, Restauratoren, Architekten und Geologischen Büros.
Oft musste zuerst ermittelt werden, um welches Gestein es sich überhaupt handelt, nach dem gesucht
wird; der nächste Schritt war dann das Finden der „Bezugsquellen“ (= Steinbrüche) für die bayerischen
Denkmalobjekte. Dabei stellte sich heraus, dass natürlich trotz der großen bayerischen Naturwerkstein-
Vielfalt auch außerbayerische Naturwerksteine verwendet wurden: Als ein Beispiel sei der Kaiserhof der
Residenz in München angeführt, dessen teilweise geteerte Flächen wieder wie ursprünglich komplett mit
Original-Material (Oolithischer Kalk) gepflastert werden sollten. Nach langer erfolgloser Suche in Bayern
nach einem derartigen Gestein stießen wir erst außerhalb des Freistaats auf das Originalgestein: den
Bernburger Rogenstein aus Sachsen-Anhalt, der in Preußen ein typischer Pflasterstein ab ca. 1900 war.
So stellte sich auch heraus, dass von den fünf verschiedenen Sandsteinen, die ab ca. 1871 für den Torbau
des Schlosses Neuschwanstein verwendet wurden, einer sogar aus der Schweiz stammte.
Das erste Objekt, das direkt von den Erkenntnissen des DBU-Projektes profitierte, war die „Gelbe Treppe“
in der Residenz in München, die zu den Gemächern von Ludwig I. führt. Diese Treppe war im 2. Weltkrieg
stark zerstört worden und sollte jetzt nach einer über 60 Jahre währenden, nicht zufriedenstellenden
Zwischenlösung wieder mit dem Original-Gestein aufgebaut werden. Es handelt sich hier um einen relativ
feinkörnigen Lithothamnien-Kalk (aus Algenschutt), der momentan nur in einer sehr groben Variante in
einem Steinbruch bei Rohrdorf von einer Zementfirma abgebaut wird. Im Rahmen des DBU-Projektes
wurde ein Kalkbruch im Wald ausfindig gemacht, in dem bis 1880 genau dieser gesuchte feinkörnige
Lithothamnienkalk gewonnen wurde. Der Eigentümer wehrte sich zunächst gegen einen temporären
Abbau für die „Gelbe Treppe“, bis er in die Residenz eingeladen wurde, damit er sich vor Ort ein Bild
machen konnte. Für ein paar Jahreskarten der bayerischen Schlösser willigte er dann ein. So wurde ein
seit etwa 140 Jahren ruhender Bruch im Rahmen eines „Probeabbaus“ wieder kurzzeitig zum Leben
erweckt, damit dort das Material für eine repräsentative Treppe gewonnen werden konnte.
Schwierig war es auch, den ursprünglichen Abbauort eines Steins mit dem Halbrelief einer Sirene aus dem
11. Jahrhundert, den das Bayerische Nationalmuseum in München vor Kurzem erwarb, zu finden. Der
mögliche Transportweg zu seinem Entstehungsort bei Kellmünz engte dann aber die Suche ein, das
Material wurde sehr wahrscheinlich über die Iller dorthin geflößt.
Seit 2017 sind über 30 Anfragen an das Bayerische Landesamt für Umwelt herangetragen worden, die
teilweise im Handumdrehen beantwortet werden konnten, manchmal aber wie im letzterwähnten Fall
sehr viel Zeit kosteten.
Es gibt aber kaum etwas Befriedigenderes, als die Lösung eines „Steinrätsels“ zu finden